Jetzt hatte die SPD für ein paar Wochen so einen guten Lauf. Und nun ist die Partei schon wieder dabei, sich zu zerlegen. Denn die Debatte, die Parteichef Sigmar Gabriel um die Rente mit 67 angezettel hat, täuscht die Wähler. Der Vorsitzende weiß das. Doch er scheint wieder in seine alte Krankheit Populismus verfallen zu sein.
Denn er muss sich in wenigen Wochen einem Parteitag und der dortigen Funktionärsschicht stellen. Doch statt dort mit guten Argumenten die Luft aus der Debatte zu nehmen, unterwirft sich Gabriel dem Zorn der Funktionäre und der von ihnen angeblich vertretenen Basis.
Kaum jemand von denen, die dort gegen die Rente mit 67 krakelen, dürften von den Änderung überhaupt betroffen sein.
Denn die Rente mit 67 greift voll erst im Jahr 2029. Das sind noch 19 Jahre (in Worten: neunzehn). In denen wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt so dramatisch ändern, dass die Beschäftigung Älterer kein Thema, sondern der allgemeingültige Standard ist.
Und natürlich werden die Arbeitgeber bis dahin die Arbeitsplätze und – bedingungen so umgestellt haben, dass die Menschen in vielerlei flexiblen Modellen nach ihren Wünschen arbeiten können.
Auch wenn die Sozialdemokratische Partei Deutschlands möglicherweise noch nichts davon gehört hat: Dieses Land schrumpft und altert!
Und zwar in schon heute genau vorhersagbarer Art und Weise. Und ganz so, wie heute schon die Lehrlinge knapp werden, werden morgen und übermorgen die Fachkräfte knapp. Von 2000 bis 2009 ist das tatsächliche Renteneintrittsalter von 62,3 Jahre auf 63,2 Jahre gestiegen. Dies wird sich durch die demografischen Veränderungen in den nächsten Jahren weiter beschleunigen.
Der von Kurt Beck und Gleichgesinnten immer wieder zitierte Dachdecker kann möglicherweise nicht bis 67 aufs Dach klettern. Aber das muss er doch auch nicht. Vielleicht hat er gegen Ende des Arbeitslebens mehr Spaß daran, seine Erfahrungen an Jüngere weiterzugeben. Oder die Routen der anderen Dachdecker zu optimieren.
Gabriels Vorgänger Franz Müntefering wusste all dies. Er hat den unbequemen Weg gewählt, auch seinen Parteifreunden diese Zusammenhänge zu erklären. Gabriel ist dafür entweder zu faul oder er verspricht sich politisch mehr von dem von ihm gewählten Weg – dem Populismus des Dagegen-Seins. Das aber dann zum Schaden des Landes – und sicher auch wider besseren Wissens.